Krank und Autonom
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Artikelmist in der Wochenzeitung: Freitag, 3.9.2009

So siehts also aus… bekenntnisliteratur. was wollen sie von mir hören? dass ich schreibe : “ich hoffe, dass herr angele auch mal krebs bekommt, damit er so einen scheißkommentar nicht mehr schreiben muß ?” oder soll ich sagen: hier will einer über sein alkoholproblem hinwegtäuschen? so einen dreck schreibt jetzt also der freitag? boulevarddreck a la kämmerling in der FAZ ? sollen wir wirklich unsere schnauze halten? vor einer woche bittet mich noch die freitagsspitze, ich solle doch bitte bei der rückzugsforderung der deutschen bundeswehr aus afghanistan unterschreiben. da war ich noch in den flitterwochen. und nun bekomme ich so einen dreckskommentar zu lesen? habe ich jetzt freitagskrebs? sie haben doch nicht mehr alle tassen im schrank oder besser ausgedrücktm, ihr habt gewaltig den arsch auf. dachte immer der freitag sei noch lesbar, aber nun kommt: krebs, leiden, sterben = Boulevard !  wieviele leute haben krebs und sehnen sich danach, dass sie mal nachlesen können, was das eigentlich ist, was da los ist… und nicht in diesen horror-foren mit allem horrorschnickschnack, den man sich vorstellen kann. sie können gerne mal 20 sonderausgaben mit all den zusendungen von krebskranken, verwandten, priestern, ärzten, usw…. als freitags-sonderdruck rausbringen. die briefe liegen hier. menschen, die nicht mehr wissen was sie tun sollen. die keinem gott im weissen kittel ihre frage stellen wollen, weil sie angst haben, anschließend blöd behandelt zu werden..,.. weiss herr angele eigentlich was man als krebskranker für eine unglaubliche angst hat? hat er da überhaupt eine minimale ahnung von dem was er da schreibt. sollen wir alle ganz ehrenhaft schweigen, damit wir diese schreienden gsundheitsbilder im tv nicht stören: supermodelle, kräftige haare, weiß zähne, adoniskörper, dazu noch erfolgreiche börsenkurse und alles ist okay… und wir kranken sind zu laut? wie bitte ? ich kenne mittlerweile über tausende von leuten, die angst haben, zu ihrem krebs, zu ihrer verzweiflung, zu ihrer depression, fragen zu stellen.

wir schreiben mittlerweile unter www.geschockte -patienten.de . nicht um uns den neuesten darmkrebs auszumalen, sondern um uns selber zu fragen: bist du noch autonom? was war eigentlich diese autonomie bevor du den krebs oder ALS oder MS bekommen hast. und herr angele kennt das alles nicht. er ist kerngesund. er findet es ehrenhaft und anständig wenn wir schweigen… wenn wir keine fragen stellen, auch wenn wir hoffen mal jemanden außerhalb des krankenhaus zu treffen, der so eine chemo schonmal durchgemacht hat.  was sie da mit dem SPIEGEL zu rupfen haben ist mir scheißegal. mir geht es um jeden einzelnen, der angst hat fragen zu stellen, seine ängste zu formulieren, sie zu transformieren, seine autonomie zu suchen…
auich wenn er sich in ihrem pseudo-engagierten kreis nichts mehr zu suchen hat. es sei denn, dass sich gleich am eingang als gescheiterter leidenspatron zu erkennen gibt. aber da haben sie sich sehr verrechnet !

ich habe doch selber während der Extremphasen nach literatur und aufzeichnungen gesucht ! nach notizen von jemandem, der diese frage nach gott, nach dem arzt, nach dem vorgang der behandlung , usw… möglichst sachlich mitteilt.
von susan sonntags selbstbetrugsliteratur, um zu zeigen, dass sie ganz distanziert darüber schreiben kann, obwohl sie sich da schon in die hose geschissen hat vor angst.(ich habe sie zumindest kennengelernt und am ende hat sie wie verzweifelt gefleht,… sie hat alles mitgemacht….)  da hat also die akademische methode nichts gebracht. warum nicht also mal direkt nachfragen. warum geben sie ihr minibudget nicht endlich mal dafür aus, dass sie kranke besuchen, dass sie fragen zur gesundheitsreform stellen. mal was zur einsamkeit fragen. bei dem, der seinen job verloren hat, keine familie besitzt und kaum freunde hatte und dann auch noch gegen weiße flecken im körper als völlig verstummte todesboten zu kämpfen hat… was sagt der über ihre politikartikel, was sagt der über so einen scheiß kommentar wie dem von herrn angele ? was denkt der über ihre scheißarrogant? mein text entstand ohne literaturanspruch, ohne verleger im nacken ! ich habe nachts , wenn die angst kam, alles in dieses band gesprochen. dann die erste arbeit dazu im gorkitheater, zum glück ohne so freitags-boulevard-deppen wie sie, die leiden und sterben zum boulevard erklären…  – ach lass doch, sagen meien freunde… nicht mal ignorieren würde ich dieses freitags-mini-blatt! nein, nein, sage ich ! ganz im gegenteil ! der faz-artikeldreck war der anfang für so obrigkeitshörige idioten wie dieser kommentarschreiber, der nun hofft eventuell zum vorstellungsgespräch bei der faz eingeladen zu werden ! wenn er sich da mal nicht getäuscht hat. die faz hat sich mittlerweile für diesen scheißartikel von herrn kämmerling bei mir und einem teil der anderen krebskranken entschuldigt!  na bitte, geht doch…. jedenfalls habe ich dann noch DIE KIRCHE DER ANGST bei der ruhrtriennale und MEA CULPA an der wiener burg gemacht. alles künstlerische, sprich bild-/textbearbeitungen der fortschreitenden geschichte. und nun? nun bin ich verheiratet und seit einer woche wieder zuhause in berlin. mir geht es eigentlich sehr gut. ich habe zugenommen, meine haare sind mittlerweile lockiger geworden, meine entzündungen auf der haut sind verschwunden, im gesicht, am bein und und die abfallenden fußnägel sind wieder gut. Und gestern war ich wieder zur kontrolle in der röhre… und was soll ich ihnen in ihrem arroganten alkoholeifer sagen?: “Meine verbliebene lunge, rechte seite, ist wieder voller metastasen.” und was nun herr angele. ? schnauze halten. “größe zeigen und schnauze halten !” wie sie sagen? ich denke gar nicht daran ! ich werde bis zum letzten moment davon erzählen, was sie sich nicht vorstellen können. und wenn ich sie damit nerve, dann legen sie mein buch oder meine texte einfach zur seit. saufen sie sich die sache abends gemütlich in den schlaf. denken sie es wäre ostersonntag und alle sind bereits in den himmel oder ins nirvana oder die hölle gefahren. es ist superruhig… die natur duftet… und sie sitzen ganz alleine an ihrem schreibtisch und wissen auch nicht was das zu bedeuten hat. Einfach schön ruhig bleiben, kann ich ihnen nur raten. zum glück ist keiner mehr da, der ihren scheiß anhören kann. und das haben sie sich doch insgeheim schon immer mal gewünscht ! Na bitte, geht doch !christoph schlingensief

 

21 Kommentare zu “Artikelmist in der Wochenzeitung: Freitag, 3.9.2009”

  1. Hedi
    4. September 2009 um 00:26

    Christoph,
    Herr Angele ist ein beknackter Penner, der nicht mehr mitkriegt was er schreibt. Wie kommt der Mann dazu seine emotionale Gestörtheit hier so laut rauszubrüllen? Ich produziere keine Texte, würde ich es aber tun und hätte ich aus dieser Position heraus ein solch durchschlagendes Erlebnis wie Du dann würde ich auch alles versuchen und darüber schreiben, um etwas zu füllen was leer ist, alles verstehen wollen, sich mit allen austauschen wollen und selber immer wieder rumchecken was gehen könnte. Was soll daran verkehrt sein? Wir wollen keinen Heldentod sterben, weder ich – ohen Krebs – noch willst das Du. Und das stört den besoffenen Schwachsinnigen auch nicht, nein, das ist ihm scheißegal. Er sucht nur nach einem Thema, das man ‘machen’ kann und da hat er aus seiner kalten hohlen Birne nicht mehr warmes rausziehen können als dich christoph, weil soviel hat der irgendwie aufgeschnappt: Du willst noch etwas. Ich hoffe so sehr du wirst das bekommen!
    Ganz viel Wärme, und wenn irgendwas ansteht, was zu tun ist, dann würde ich da wahnsinnig froh sein, davon zu hören.
    Ganz viel Geborgenheit möchte ich dir senden,
    L.H.

  2. Karin
    4. September 2009 um 06:53

    Hallo Herr Schlingensief,

    bis auf die Ãœberschrift, die wirklich marktschreierischer Bildzeitungsstil ist, ist der Artikel gar nicht soo schlecht.

    Der Verfasser bleibt zwar an der Oberfläche des Themas “Krebs” und davon Betroffene, macht sich aber Gedanken über die Alternative, über die Erkrankung KEINE Literatur herauszubringen.
    Als Beispiel nennt er den 2006 an Krebs gestorbenen herausragenden Lyriker Robert Gernhard, der darüber Gedichte schrieb:„Dialog“ heißt eines: „Gut schaust du aus!“ – „Danke! Werds meinem Krebs weitersagen. Wird ihn ärgern.“

    Und auch mit Jürgen Leinemann und Charlotte Roche und ihren öffentlichen Bekenntnissen (wenn auch zu ganz anderen Themen) sind Sie gar nicht in soo schlechter Gesellschaft, oder?
    Das sind alles Originale und Hochkaräter – man mag sie mögen oder nicht – über die Herr A. in seinem Artikel auf freitag.de schreibt.

    Schon beinahe goldig finde ich seinen Satz:
    “Ähnlich ist der Fall Schlingensief gelagert… und wenn man neben ihm stünde, würde man ihn in den Arm nehmen. Aber man steht nicht neben ihm, man liest ein „Tagebuch“, das ein Fremder geschrieben hat.”

    Ich verstehe Angele so, dass er selber, für sich persönlich sich nicht vorstellen kann, seine privatesten, intimsten Befindlichkeiten öffentlich zu machen.
    Dass er die tendenziell verrucht besetzten Worte “Bekenntnisliteratur” und “Exhibitionismus” nennt, könnte darauf hinweisen, dass er auch ein kleines bißchen neidisch ist auf Leute, die so unbefangen von sich selbst berichten und eben nicht nur “im stillen Kämmerlein” ihren Spass haben oder quälend leiden.
    Ein bißchen wie eine Frau, die eine andere mit einem tief ausgeschnittenen, üppigen Dékolleté betrachtet und dann sagt “muss die ihre Euter so in die Gegend halten, das ist ja aufdringlich”, während manch anderer gerne auf den attraktiven und interessanten Bildauschnitt schaut.

    Ich finde, der Artikel sagt weniger über den genannten Personenkreis aus, als vielmehr über den Schreiber selber.
    Er würde sich eben nicht bekennen, sondern darauf verzichten. Soll er doch. Ist doch schön, wenn ein Journalist sich auch mal zurückhalten kann und soviel Anstand und Größe besitzt, dass ihn “etwas Größeres” oder menschliche “Scham” davon abhält, seine inneren Vorgänge nach außen zu kehren.
    Allerdings hätte er dies ja auch gleich schon mal üben können, in seinem Artikel über Krebskranke, die darüber schreiben und reden.
    Er hätte zum Beispiel auf den reißerischen und abwertenden Titel, also die aufmerksamkeitsheischende Ãœberschrift mit dem etwas zeigefreudigen Wort “geil” verzichten können, oder?
    Dann hätte er gleich praktisch und konkret untermauert, was er inhaltlich meint.
    Wahrscheinlich sind auch Journalisten exhibitionistisch veranlagt, verstecken dies aber hinter den Subjekten, über die sie schreiben.
    Könnte ja sein.
    In diesem Fall wäre Herr Angele ein exhibitionistisch Gehemmter, der edelmütig verzichtet, jedoch über einen geschickten Umweg doch noch sein Würstchen raushängen lässt. Hochanständig von ihm!
    “Danke, werds ihm weitersagen. Wird ihn ärgern”!

    Grüße
    Karin

  3. Karl
    4. September 2009 um 09:32

    Guten Morgen Doc, guten Morgen werte PatientInnen,

    liebe Karin, das haben Sie sehr anschaulich wiedergegeben, welche Vorgänge zu dem faux pas des Teufelchens Angele geführt haben.
    Besonders gefällt mir das tiefe “Dékolleté”, hö hö.

    Ich verstehe auch nicht ganz, warum Herr Schlingensief dem überhaupt soviel Platz einräumt.
    Spielen da persönliche oder berufliche Antagonien bzw. Antipathien eine Rolle? Oder ist er enttäuscht, weil er von der Freitags-Redaktion mehr Charakter und Tiefe erwartet hätte?
    Das ist dann verständlicherweise bitter, aber faule Eier gibt es leider überall…

    Nein, ich denke auch, der Weg, seine Gedanken frei zu äußern und dadurch auf die bestmöglichste und intensivste Weise mit anderen Betroffenen in Kontakt zu treten, ist lebens- und lohnenswert.
    Bei allen persönlichen Differenzen bin ich froh, dass Herr Schlingensief seine Werke, sein Buch, seine Theaterstücke, Opern und auch diese Seite hier realisiert hat.
    Ein dreifach Hoch auf Schlingensief!
    Er lebe hoch, hoch, hoch!
    Und das meine ich NICHT ironisch!
    Von Herzen mein Wunsch: weiter so!
    Und danke.

    Alles Gute, Karl

  4. Anne
    4. September 2009 um 09:41

    Hi Christoph,

    Mir tut es gut, zu sehen, daß es denkende Menschen wie Dich gibt. Ich danke Dir!

    das allerbeste wünscht Dir
    Anne

  5. ugly kid joe
    4. September 2009 um 10:09

    he christof,

    selten so einen grottenschlechten kauderwelsch wie den von argele gelesen!
    hätte er neben mir gestanden, hätte ich es ihm direkt in die fresse gesagt, aber so ist er nur ein fremder…
    lass dir bloß von so einem nicht die laune verhageln, der hat wahrscheinlich nur einen ganz kleinen, und komplexe. oder nen wutstau.

    bleib aufrecht,
    cheers
    joe

  6. Lina
    4. September 2009 um 11:29

    Liebe Karin, du hast möglicherweise nur die Hälfte gelesen von dem was Christoph da für sich, für uns und über sich schreibt. Würdest du mal genau hinsehen, was Christoph in der Zeit gemacht hat in der Herr Abele diesen Artikel verfasst hat, würdest du sicher nicht sagen, es sei `niedlich’, dass man das Gefühl hat Christoph in den Arm nehmen zu wollen. Ich finde das was hier passiert nicht niedlich, sondern das ist verdammt tief.

    Lina

  7. Felicitas
    4. September 2009 um 15:08

    Lieber Christoph, hallo ihr alle,

    der erwähnte Artikel interessiert mich eigentlich weniger, ich mache mir eher Gedanken um das zuletzt von Christoph geschriebene, dass bei der Untersuchung seiner rechten Lunge gerade wieder Metastasen festgestellt wurden.
    Das ist beunruhigend und sicher ein schwerer Schlag.
    Also bitte umso mehr gute Erlebnisse suchen und finden!
    So wenig möglich und nur soviel wie nötig Zeit mit ärgerlichen oder fiesen Zeitgenossen verbringen, am besten gar keine! Oder sie auslachen.

    Liebe Grüße
    Feli

  8. Karin
    4. September 2009 um 15:40

    Hallo Lina,
    im Eifer des “Gefechts” bin ich gar nicht mehr auf Christoph eingegangen, stimmt.
    Entschuldigung!!

    Ich hoffe natürlich, dass es trotz der neuen Metastasen gesundheitlich wieder bergauf geht und erlaube mir, Wobenzym von Mucos zu empfehlen, damit habe ich sehr gute Erfahrung gemacht, Tumormarker wurden besser, die Beschwerden ließen nach.
    Ist auch Bromelain aus der Ananas drin.

    Santé, werden Sie gesund,

    viele Grüße
    Karin

  9. ugly kid joe
    4. September 2009 um 16:02

    hi,

    jungs und mädels ich muss wohl doch etwas deutlicher werden. ich komme jetzt zum 4. oder 5. mal mit meinem kommentar bei nacktkritik nicht durch. dabei war ich ordentlich angezogen und hatte alles nett formuliert.

    an jeanne und sugar:
    ihr liegt gar nicht mal so verkehrt mit eurer analyse.
    um möglicherweise von der ewigen perspektive des einseitigen ICH
    zum DU Рoder sogar zum WIR ??? Рzu wechseln, wollte ich euch vorschlagen mit mir und dem pseudo-rampenferkel ins grips-theater zu gehen. aber die dauernden k̦rbe haben mich frustriert, hab grad selber keinen bock mehr.

    ahoi, bis demnächst in diesem oder einem anderen kino
    joe

    p.s. lina und die anderen, sorry, das ist eine wohl etwas rätselhaft wirkende mitteilung an zwei kritikerinnen von mir. erklär ich bei gelegenheit.

  10. -
    5. September 2009 um 05:00

    Woher willst Du wissen, dass solche Fragen nicht stellbar sind?

    ps. Keine Sorge: Worte sind Schall und Rauch!

  11. Hedi
    5. September 2009 um 09:19

    Ugly Kid,
    Das hier ist kein kino und auch keine party, auf der man mal reinchaut und eine Flaschenpost hinterlässt für die anderen die der schnitreljagd auf der spur sind. antatt kultur zu junken und dem hinterher zu laufen was für dich nicht passt solltest du lieber mal runterkommen. Dein stress mit irgendwelches kulturdamen gehört nicht hier hin! Um das zu klären ibt es emails, post und sms oder Psychotherapie!
    Hedi

  12. Carlos
    5. September 2009 um 11:12

    Holà Christophero, holá amigos,

    seinem Freund Hoven schrieb Schiller diese Worte von Goethe ins Album:

    Der ist allein glücklich und groß,
    der weder zu gehorchen noch zu befehlen braucht,
    um etwas zu sein.

    Und in Weckherlins Album schrieb er:

    Auf ewig bleibt mit dir vereint
    der Arzt, der Dichter und dein Freund.

    Amigos, dulce sugar,
    ich werde nun die lang ersehnte Reise in die Atacama Wüste antreten, mit José und Félipe, wir wollen den Sternenhimmel sehen, wie er in aller Pracht und Klarheit bis ins letzte Sternchen nur dort zu sehen ist.
    In 3 Wochen sind wir wieder zurück bei Mammita und Beppo und erst dann kann ich mich wieder übers Internet melden.

    Dulce, das Herz wird mir schwer, aber ich weiß, wir werden uns wiedersehen.
    Denn ich bin nicht aus der Welt.
    Trotzdem hängt in meiner Seele eine Stimmung wie in diesem poem von Neruda:

    Sterb ich, so überlebe mich mit all deiner reinen Kraft,
    dass du erweckst den Zorn der fahlen Furie und der Kälte,
    von Süd nach Süden hin erheben deine unauslöschlichen Augen,
    von Sonn zu Sonne soll dein Gitarrenmund erklingen.

    Will nich, dass dein Lachen und deine Schritte zögern,
    will nicht, dass meines Frohsinns Erbe stirbt,
    klopf nicht an meine Brust, ich bin nicht da.
    Lebe in meiner Abwesenheit wie in einem Haus.

    Die Abwesenheit ist ein so großes Haus,
    du kannst durch seine Wände treten
    die Bilder aufhängen in der Luft.

    Ein so durchsichtiges Haus ist die Abwesenheit,
    dass ohne Leben ich dich am Leben sehen werde,
    und leidest du mein Lieb, sterb ich ein zweites Mal.

    Aber amigos, ich habe naturalmente nicht vor, zu sterben, das ist nur im übertragenen Sinne eine emociòn!

    paz del alma, dulce y mi corazon esta cerca de ti,
    amor es
    Carlos

  13. ugly kid joe
    5. September 2009 um 11:46

    hi 10 und 11, allet klar, wa.

    an die kulturdamen hatte ich in dem anderen forum ja längst die frage und den vorschlag eines grips-besuches geschrieben, die wurde nur nie veröffentlicht!!!
    email adressen oder handy hab ich von den mädels nicht.
    also nix für ungut und sorry, dass ich die getragene veranstaltung hier gestört habe.
    gehe nachher zur anti-atomkraft-demo am hbf.

    allen kranken, schwerkranken und weniger kranken gute gesundung und genese.
    joe

  14. Astrid Salles Kolb
    5. September 2009 um 13:18

    hier nur ein Buchtip:
    “Mut u. Gnade” von Ken Wilber

    Ich habe durch das Buch am meisten über diese Krankheit verstanden. Nicht nur die Erfahrungsberichte der Betroffenen (die Erkrankte und ihr Mann, der Autor, der im Prozess des “Miterlebens/-Kämpfens” sich selbst fast die Kugel gegeben hätte, berichten), sondern nirgendwo hab ich in ähnlicher Weise die “Interpretation” der Erkrankung, wissenschaftl., sozial, kulturell usw. in dieser Weise aufgezeigt gefunden. Und hiemit haben wir es ja auch in der öffentlichen Darstellung u. Resonanz zu tun.
    Hier einige Auszüge:
    “Bei jeder Krankheit steht man vor zwei ganz verschiedenen Dingen. Zunächst ist da mal der Krankheitsprozess selbst….Zweitens aber hat ein Erkrankter mit der Haltung zu tun, die seine Gesellschaft oder Kultur gegenüber dieser Erkrankung einnimmt, also mit den Urteilen, Ängsten, Hoffnungen, Mythen, Geschichten, Wertvorstellungen, kurz mit der Bedeutung, die eine bestimmte Gesellschaft mit jeder Erkrankung verbindet. Nennen wir diesen Aspekt der Krankheit “das Leiden”…Die Wissenschaft sagt uns, wann und welcher Weise wir krank sind, unsere Kultur oder Subkultur sagt, wann und in welcher Weise wir leidend sind…Krebs ist nun eine Erkrankung, über die es sehr wenig gesichertes Wissen gibt(das Buch erschien 1991), u. deshalb ist krebs eine Krankheit, um die sich zahllose Mythen und Geschichten ranken. Als Krankheit ist krebs höchst unzureichend erforscht; als Leiden hat er gewaltige Ausmaße angenommen….”

    herzlich, A.S.K.

  15. Ernst P.
    5. September 2009 um 14:13

    Guten Tag, Frau Salles-Kolb,

    das Buch “Mut und Gnade” finden Sie übrigens auch im Forum unter “Bücher, Filme, Artikel”.

    Danke für Ihre aussagekräfigen Anmerkungen,

    Freundliche Grüße

    Ernst

    P.S. Gute Besserung und gute Genesungswünsche auch für Herrn Schlingensief

  16. Astrid Salles Kolb
    5. September 2009 um 16:55

    Hallo u. guten Tag Ernst, aber insbesondere: Herr Schlingensief:

    Das Buch wurde in einer ebenso verbogenen Interpretation vorgestellt obwohl doch erstmal Interpretationen von Krankrheit erläutert werden müssen: aus den vielfältigen Perspektiven, die da existieren in unserer Gesellschaft!

    Daher füge ich nochmals Ausschnitte des Buches an, nicht um hier irgendwie Werbung zu machen, sondern, wie ich hoffe, zur Reflektion u. dem Abbau von Vorurteilen, die sich in diesem Forum zu diesen Buch seltsam gestreut haben, abzubauen. Herr Schlingensief sollte sich mehr als am eigenen Kragen gepackt sehen, Ken Wilber ist auf eine andere (in die Tiefe gerichtete)aber sehr wirksame Art ein populärer Autor!

    “Durch die Wissenschaft suche ich also meine Krankheit zu erklären, aber durch die Geseelschaft suche ich mein Leiden zu verstehen – was bedeutet es? Denn in dem Maße, wie ich zu dieser Gesellschaft gehöre, alsoin ihr bin, ist sie mit ihren Bedeutungszuweisungenund Urteilen in mir, sie sind mir in Fleisch und Blut übergegangenu. bestimmen, wie ich mich selbst und mein Leiden verstehe.Entscheidend ist hierbei, dass der positive oder negative Bedeutungsgehalt – Entwicklungschance oder Strafe – , der einer Erkrankung beigemessen wird, sehr grosse Auswirkungen für mich u. für den Verlauf meiner Erkrankung haben kann.Das Leiden ist oft zerstörerischer als die Krankheit…..
    Dann mussten wir uns mit dem leiden Krebs auseinandersetzen, mit all den Bedeutungenu. Urteilen, die unsere Kultur u. ihre Subkultur dieser Krankheit anhängen. Hier nur einige der meist sehr entschieden vorgetragenen Anschauungen:
    1. Christlich: die Botschaft der Fundamentalisten: Krankheit ist letzlich die Strafe Gottes für irgendeine Sünde . Je schlimmer die Krankheit, desto schauriger die Sünde.
    2.) New Age РKrankheit als Lektion: Du legst dir selbst diese krankheit zu, weil du etwas Wichtiges durch sie zu lernen hast, um dann deine spirituelle Entwicklung fortsetzen zunk̦nnen. Der Geist allein erzeugt die Krankheit, und der Geist allein knn sie heilen. Eine yuppiesierte post,oderne Version der Christl. Wiss.
    3.) Schulmedizin: Krankheit ist im wesentlicehnen eine biophysikalische Störung aufgrund von biophysikalischen Faktoren(von Viren bis Traumata bis zu genetischer Veranlagung u. auslösenden Umweltfaktoren).Bei den meisten Erkrankungen zerbricht man sichüber psychologische u. spirituelle Behandlungsformen am besten gar nicht erst den kopf, denn meistens sind sie wirkungslos und verhindern eher, dasseinem die richtige medizinische Versorgung zuteil wird.
    4. Karma…lesen Sie weiter
    5.psychologisch…
    6. Gnostisch…
    Existentiell…
    8.Ganzheitlich…
    9. Magisch…
    10. Buddhistisch…
    11.Wissenschaftl….

    lesen u. urteilen sie immer autonom: selbst!
    sehr herzlich,

    A.S.K

  17. Dr. Alexander Dill
    5. September 2009 um 17:17

    Lieber Christoph Schlingensief! Sie haben mir mit Ihrem Text geholfen, Krebs sofort wieder unwichtig zu finden. Wie das? Mit Ihrem Hinweis, daß Sie nun verheiratet sind. Ich wäre auch lieber verheiratet, als nur keinen Krebs zu haben. Ich habe so Sehnsucht nach meiner Ex-Frau. Und Sie heiraten! Und diese Lakonie “Nun bin ich verheiratet.” Ich würde mir wünschen, in meinem Blog schreiben zu dürfen: “Habe ich übrigens schon erzählt, dass ich seit einer Woche verheiratet bin? Ich wollte meinen Leserinnen nicht alle Hoffnung nehmen.”

  18. -
    5. September 2009 um 19:48

    Es stimmt. Körperlich soweit gesund, spricht aus mir die pure Angst vor dem Leben. Ich halte von nun an inne. Und ja, es tut mir leid und ich bekenne mich schuldig, ein unheilvoller Angsthase zu sein.

  19. Felicitas
    6. September 2009 um 10:29

    Hallo,
    als Angsthase bist du in Germany in bester Gesellschaft. In einem Land, in dem der Bundesadler demnächst gegen einen HASEN ausgetauscht werden wird, siehe “Hasenpower für Deutschland”!

    Aber Spaß beiseite, warum entschuldigst du dich dauernd? Ist das eine unheilvolle Angewohnheit?
    Kommt mir irgendwie bekannt vor, denn ich bin typisch weiblich sozialisiert, nach dem Motto “tut mir leid, dass ich auch mal was sagen möchte”…

    Die souveräne Gelassenheit – trotz berechtigtem Ärger – mit der Christoph und die anderen (durch Argeles´Würstchen) vermeintlich Ge- oder Betroffenen reagieren, gibt mir wieder Hoffnung.
    Auf freitag.de habe ich sehr gute Beiträge zu diesem Artikel gelesen und überlege mir, da auch mal zu posten!

    Liebe Grüße
    und einen schönen Tag auf
    dem Weg zur Hasenpower
    Feli

  20. Holli
    12. September 2009 um 21:37

    hi…natürlich hat unser christoph mehr resonanz, als otto-normal-verbraucher. natürlich wäre er auch kein verfechter der krebserkrankten, wenn er nicht selbst in dem club eingetreten wäre. natürlich kann er seinen lebensweg anderweitig zum ende führen und natürlich kann er sich besser artikulieren. ABER DAFÃœR, dass er sich engagiert und dem TOD buchstäblich in die augen sieht, darum ist er in meinen augen, ein GANZ GROßer!!!

    chapeau, mister schlingensiel

  21. Karin
    29. September 2009 um 10:01

    Als junge Frau habe ich zum ersten Mal im Stern über Krebs gelesen, als damals, in den 70ern Hildegard Knef einen autobiographischen Roman schrieb, in dem sie auch von ihrer Erkrankung und den seelischen Beeinträchtigungen erzählte.
    Daher war Krebs für mich ein ganz alltägliches und öffentlichkeitstaugliches Thema, ganz selbstverständlich. Niemand fand damals die öffentliche Thematisierung exhibitionistisch oder deplaziert.
    Ganz im Gegenteil! Ich weiß nicht, wer der oder die erste prominente Person war, die damit in die Öffentlichkeit ging, und darum geht es auch gar nicht.
    Was ich sagen möchte ist, die Thematisierung einer körperlichen und seelischen Beeinträchtigung, siehe auch Stephen Hawking, der schon Jahrzehnte mit seiner Erkrankung aktiv und bekannt ist, gehört für mich ganz selbstverständlich zur Allgemeinbildung, zum alltäglichen Leben und Lebensgeschichten dazu!
    Warum das nun gegenwärtig von Journalisten neu aufgerollt und in Frage gestellt wird, weiß ich zwar nicht, aber es hat sicher einen Sinn.
    Bleiben wir weiter dran,
    Grüße
    Karin

Schlingensief fragt

Dr. Schlingensief liefert in der neuen Rubrik seine neuesten und dringlichsten Gedanken zu Krebs, Angst und zum Patientendasein. Er berichtet aus der eigenen Krankenakte, erzählt was ihm geholfen, was ihm weniger geholfen hat und sucht dabei nach der Autonomie des Patienten. Schauen Sie rein, kommentieren Sie und wenn Sie anderer oder doch der gleichen Meinung sind, starten Sie Ihren eigenen Dialog!

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